Aristoteles: Nikomachische Ethik

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Aristoteles, Nikomachische Ethik leicht erklärt

Die Nikomachische Ethik (NE) entwirft ein Gesamtbild des praktischen Lebens und Zusammenlebens, und untersucht, was das Gute im Leben ist und wie man es erreichen kann. Das gute tätige Leben des Menschen besteht darin, Glück, Gerechtigkeit und andere Tugenden in allem Handeln zu erreichen, um ein Höchstmaß an Glückseligkeit zu erlangen.

(1094a) Jede Kunst und jede Lehre, desgleichen jede Handlung und jeder Entschluß, scheint ein Gut zu erstreben, weshalb man das Gute treffend als dasjenige bezeichnet hat, wonach alles strebt.

Die Nikomachische Ethik: Zusammenfassung

  • Wann wurde die Nikomachische Ethik verfasst?
  • Woher kommt der Name Nikomachische Ethik?
  • Wie wird Aristoteles zitiert?
  • Was ist ein gutes Leben?
  • Wie können wir ein gutes Leben erreichen?
  • Was ist Glück? Und wie kann ein Mensch glücklich sein?
  • Was ist eine gute Lebensform?
  • Was ist eine Tugend?
  • Was ist Gerechtigkeit?
  • Was ist Freundschaft?
  • Was ist Lust und wie trägt sie zum Glück bei?
Er wurde geboren, arbeitete und starb.” so stellte Martin Heidegger das Leben eines der berühmtesten Philosophen seinen Studenten in einer Vorlesung vor.

Philosophie ist philosophieren. Nicht die Information die am Ende rauskommt.

Er gehört zu den bekanntesten und einflussreichsten Philosophen und Naturforschern der Geschichte. Sein Lehrer war Platon, doch hat Aristoteles zahlreiche Disziplinen entweder selbst begründet oder maßgeblich beeinflusst, darunter Wissenschaftstheorie, Naturphilosophie, Logik, Biologie, Physik, Ethik, Staatstheorie und Dichtungstheorie. Aus seinem Gedankengut entwickelte sich der Aristotelismus. (Wikipedia)

  • Tugendethik – Eine normative Ethik, die den Fokus auf den Handelnden legt.
  • Ethik – Wissenschaft der Moral
  • Moral – Wertvorstellungen und gute Sitten einer Gesellschaft oder einer Person
  • Normative Ethik – formuliert allgemeingültige Regeln oder Maßstäbe moralischen Handels
  • aretḗ – alt. griechisch: Tugend // Bestzustand Vortrefflichkeit einer Sache oder Person
  • Tugend – gute bzw. bestmögliche Eigenschaften
  • eudaimonia – Glückseligkeit – gelungene / geglückte Lebensführung
  • ergon – spezifische Funktion oder Aufgabe einer Sache
  • Verstandestugenden – höchste Tugenden – direkt mit der Vernunft verknüpft
    • Wissen(episteme)
    • Einsicht (nous)
    • Weisheit (sophia)
    • Kunst (techne)
    • Klugheit (phronesis)
  • Charaktertugenden – Ergebnis der vermittelnden Tätigkeit der Vernunft, Tugend: Mangel – Übermaß
    • 1. Tapferkeit: feige – leichtsinnig
    • 2. Besonnenheit: zügellos – stumpf
    • 3. Freigiebigkeit: geizig – verschwenderisch
    • 4. Hochherzigkeit: kleinlich – protzend
    • 5. Ehrbewusstsein: ehrsüchtig – ehrgeizlos
    • 6. Seelengröße: aufgeblasen – niedersinnig
    • 7. Sanftmut: zornmütig – zornlos
    • 8. Freundlichkeit: streitsüchtig – anbiedernd
    • 9. Wahrhaftigkeit: prahlerisch – tiefstapelnd
    • 10. Artigkeit: possenreißerisch – steif
    • 11. Gerechtigkeit – besondere Tugend – nicht Mitte aus zwei Übeln, sondern immer gut
  • rechte Mitte: Mittelweg zwischen zu viel und zu wenig Emotion
  • Deontologische Ethik – Eine normative Ethik, die den Fokus auf die Handlung legt. Auch Pflichtethik genannt.

Wann wurde die Nikomachische Ethik verfasst?

Die genaue Entstehungszeit ist unbekannt. (ca. 335 – 322 v. Chr.)

Woher kommt der Name Nikomachische Ethik?

Das weiss man nicht genau. Sowohl der Vater als auch sein Sohn hießen Nikomachos.

Wie wird Aristoteles zitiert?

Die Bekker-Zählung bezeichnet die heute übliche Zitierweise von Aristoteles. Sie geht zurück auf die erste, für die moderne Aristotelesforschung grundlegende Gesamtausgabe, die Immanuel Bekker zwischen 1831 und 1837 erstellte. In der üblichen Zitierweise wird dabei die jeweilige Seite, Spalte und Zeile angegeben. Beispielsweise verweist bei „980b21“ das „980“ auf die Seite 980, „b“ auf die rechte der beiden Spalten und „21“ auf die Zeile 21.

Wie können wir ein gutes Leben erreichen?

Um sich dieser Frage anzunähern, fragt Aristoteles nach den speziellen Fähigkeiten des Menschen. Alle haben Verstand, Charakter, Emotionen, Triebe, Wünsche und so weiter. Ein gutes Leben erreichen wir, wenn wir alle diese “Funktionen” unter einen Hut bringen und harmonisch miteinander vereinen, und zwar langfristig und beständig.

Was ist Glück? Und wie kann ein Mensch glücklich sein?

Alle wollen glücklich sein, doch wie? Aristoteles glaubt, dass Glück (eudämonie) für sich selbst steht, und nicht ein Mittel zum Zweck ist. Sie ist, wie Aristoteles sagt, „das vollkommene und selbstgenügsame Gut und das Endziel des Handelns.“ (1097b20).

Alles Handeln spielt sich innerhalb des Lebens ab. Deshalb gibt Aristoteles verschiedene Lebensformen an und diskutiert sie.

Nikomachische Ethik: Die Lebensformen

In seiner Ethik nennt Aristoteles drei bzw. vier Lebensformen, in denen ein Mensch glücklich  bzw. nicht glücklich werden kann:

Nimmt man die verschiedenen Lebensweisen in Betracht, so scheint es einmal nicht grundlos, wenn die Menge, die rohen Naturen, das höchste Gut und das wahre Glück in die Lust setzen und darum auch dem Genußleben fröhnen. Drei Lebensweisen sind es nämlich besonders, die vor den anderen hervortreten: das Leben, das wir eben genannt haben, dann das politische Leben und endlich das Leben der philosophischen Betrachtung.

  • das Genussleben (hedone): das spiegelt die Tierhaftigkeit des Menschen. Glück wird hier durch Sinnesbefriedigung erreicht, was nicht negativ gemeint ist. Lecker zu essen und zu trinken und sich körperlich gut fühlen kann durchaus ein Glücksquell sein
  • das Leben im Dienste der Gesellschaft (bios praktikos/politikos): Der Mensch ist ein soziales Wesen und kann Bestimmung darin finden, etwas für die Umwelt und die Mitmenschen zu tun.
  • das Leben in Hingabe an die Wissenschaft und Philosophie (bios theoretikos): Der Mensch ist ein Wesen mit Verstand (zoon logon), was wohl die Eigenschaft ist, die den Menschen am meisten von anderen Lebewesen absetzt. Hier sieht Aristoteles das größte Glückspotenzial, wenn körperliche und soziale Gesundheit gegeben ist.
  • das kaufmännische Leben: diese vierte Lebensform bei der das Lebensziel im Anhäufen von Wohlstand liegt, wird von Aristoteles nicht als gute Lebensform eingestuft, da Wohlstand immer nach mehr Wohlstand strebt. Es führt zu einem immer mehr Haben wollen, findet daher kein Ende und hat das Lebensziel nicht in sich.

Aristoteles: Was ist Tugend?

Aristoteles teilt die Tugenden entsprechend der Seele in dianoetische Tugenden, welche aus Belehrung entstehen, und ethische Tugenden, die sich aus der Gewohnheit ergeben. In Analogie zum Beherrschen eines Musikinstruments erwirbt man die Tugenden, indem man sie ausübt.

Verstandestugenden (dianoetische Tugenden)

Die Verstandestugenden sind die höchsten Tugenden, denn sie sind direkt mit der Vernunft verknüpft

  • Wissen(episteme)
  • Einsicht (nous)
  • Weisheit (sophia)
  • Kunst (techne)
  • Klugheit (phronesis)

Charaktertugenden

Die Charaktertugenden oder ethischen Tugenden sind Ergebnis der vermittelnden Tätigkeit der Vernunft. “Daher müssen wir uns Mühe geben, unseren Tätigkeiten einen bestimmten Charakter zu verleihen“. Sie sind Haltungen (hexis) und Formen des Handelns, die für Aristoteles vernüftig sind. Wichtig ist hierbei vor allem die Lehre von der Mitte (mesotes).

Aristoteles meint damit, dass alle Haltungen eine “richtige” Mitte haben, aber auch zuwenig oder übertrieben sein können. Am Beispiel des Umgangs mit Geldes erklärt Aristoteles dieses Konzept.

In Geldsachen, im Geben wie im Nehmen, ist die Mitte Freigebigkeit, das Übermaß und der Mangel Verschwendung und Geiz, und zwar so, dass beide Fehler beide Extreme aufweisen, jedoch umgekehrt zueinander. Der Verschwender gibt zu viel und nimmt zu wenig; der Geizige dagegen nimmt zu viel und gibt zu wenig.

Im folgenden findest du die Aufstellung der Tugend, und dann den jeweiligen Begriff für Mangel – Übermaß.

  • 1. Tapferkeit: feige – leichtsinnig
  • 2. Besonnenheit: zügellos – stumpf
  • 3. Freigiebigkeit: geizig – verschwenderisch
  • 4. Hochherzigkeit: kleinlich – protzend
  • 5. Ehrbewusstsein: zu ergeizig – ehrgeizlos
  • 6. Seelengröße: aufgeblasen – niedersinnig
  • 7. Sanftmut: zornmütig – zornlos
  • 8. Freundlichkeit: streitsüchtig – anbiedernd
  • 9. Wahrhaftigkeit: prahlerisch – tiefstapelnd
  • 10. Artigkeit: possenreißerisch – steif
  • 11. Gerechtigkeit – besondere Tugend – nicht Mitte aus zwei Übeln, sondern immer gut

Was ist Lust und wie trägt sie zum Glück bei?

Die ethischen Tugenden stehen in engem Zusammenhang mit Lust und Schmerz. Die Hinwendung der Menschen zum Schlechten erklärt Aristoteles damit, dass die Menschen die Lust suchen und den Schmerz fürchten. Diese natürliche Verhaltensweise gilt es, durch Erziehung zum Guten zu beeinflussen und zu steuern.

Was ist Gerechtigkeit?

(1134a) Näherhin ist die Gerechtigkeit jene Tugend, kraft deren der Gerechte nach freier Wahl gerecht handelt und bei der Austeilung, handele es sich nun um sein eigenes Verhältnis zu einem anderen oder um das Verhältnis weiterer Personen zu einander, nicht so verfährt, dass er von dem Begehrenswerten sich selbst mehr und den anderen weniger zukommen läßt und es beim Schädlichen umgekehrt macht, sondern so, dass er die proportionale Gleichheit wahrt, und dann in gleicher Weise auch einem anderen mit Rücksicht auf einen Dritten zuerteilt.

Die Ungerechtigkeit ist umgekehrt jenes Laster, das freiwillig ungerecht handeln und ungerecht austeilen macht.

Nikmachische Ethik: Was ist Freundschaft?

Wichtig ist hier zu wissen, dass Freunschaft und Liebe (grch. philia) nicht eindeutig trennbar sind und immer doppeldeutig bleiben.

Demnach sind drei Arten der Freundschaft, entsprechend der dreifachen Beschaffenheit des Liebenswerten, da es bei jedem Liebenswerten eine Gegenliebe gibt, die nicht verborgen bleibt, und die sich Liebenden sich unter der Rücksicht Gutes wünschen, unter der sie sich lieben.

  1. Die lustbringende Freundschaft
  2. Die nutzbringende Freundschaft
  3. Die unbedingte Freundschaft, bei der jeder den anderen Gutes wünscht, ohne davon einen Vorteil zu haben.

Die aber dem Freunde um seiner selbst willen Gutes wünschen, sind Freunde im vollkommenen Sinne, weil sie diese Gesinnung an sich, nicht mitfolgend, haben. Daher bleibt die Freundschaft zwischen solchen Menschen bestehen, solange sie tugendhaft sind, Tugend aber ist beständig.

Was ist Glück für Aristoteles?

Alle wollen glücklich sein, doch wie? Aristoteles glaubt, dass Glück für sich selbst steht, und nicht ein Mittel zum Zweck ist. Sie ist, wie Aristoteles sagt, „das vollkommene und selbstgenügsame Gut und das Endziel des Handelns.“ (1097b20)

Aristoteles: Nikomachische Ethik lesen

Die Nikomachische Ethik ist ein harter Brocken und sie liest sich nicht wie ein Roman. Aristoteles lebte vor 2400 Jahren in einer vergangenen Kultur und schrieb auf altgriechisch. Trotzdem sind viele seiner Fragen immer noch aktuell, und auch seine Antworten geben viele Denkanstöße für heute. Wenn du dich darauf einlässt.

Welche Ausgabe der Nikomachischen Ethik solltest du lesen?

Die zurzeit greifbaren deutschen Übersetzungen der Nikomachischen Ethik sind oft 50 oder mehr Jahre alt, philosophisch teilweise fragwürdig und sprachlich nicht immer auf der Höhe. Die modernste ist die von Ursula Wolf.

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An Einführungen und Materialien zu Aristoteles mangelt es wahrhaft nicht. Besonders gut gefallen hat mir das hier angefügte Video von SOundSOphie.

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Herbert

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