Was ist ein Bild? Kann ein Bild wirklich sein? Was ist Schein, was ist Realität?
In Bild und Wirklichkeit. Reflexionen zum Werk Merleau-Ponty´s habe ich ein paar Gedanken notiert, Reflexionen und Einfälle.
Fangen wir am Anfang an.
Platos Höhlenkino
Spätestens seit Platon im siebten Buch der Politeia den wundersam von seinen Fesseln befreiten Menschen das zeitliche Höhlenkino verlassen und zur wirklichen Welt emporsteigen sah, ergriff die Philosophie die Frage nach dem Unterschied von Bild und Wirklichkeit. (Mehr zum Höhlengleichnis auf wikipedia)
Der Streit um Schein und Wahrheit eskalierte, als der privilegierte Flüchtling in den gemeinsamen Raum zurückkehrte, um seine Gefährten davon zu überzeugen, daß sie sich an bloßen Phänomenen ergötzten.
Der Rest der Geschichte ist hinlänglich bekannt, auch, daß Platon in diesem Gleichnis seine gesamte Wirklichkeitstheorie im „Bild“ gefaßt hat. Seine Lehre von den Ideen ist genau genommen eine Lehre vom richtigen Schauen und von den richtigen Anblicken (eidoi).
Götzen und Bilderstreit
Schlägt man nun eine brutale Brücke über die Auseinandersetzungen um die Gottebenbildlichkeit und die Bilderstreit-Eskalationen der christlichen Welt – hervorzuheben sind von philosophischer Seite die oftmals vergessenen, aber nicht zu unterschätzenden Libri Carolini , 787 als Kritik der byzantinischen Bilderverehrung enstanden-, so ergibt sich für eine Mediengesellschaft erschreckende Ähnlichkeit zur platonischen Totalmedialisierung.
Staunend erblicken wir die Tatsache, daß Platon schon vor 2400 Jahren den Menschen in eine Grundsituation gestellt sah, von der heutige Technik- und Fortschrittsoptimisten kaum zu träumen wagen: eine vollständige Darstellung der Welt im (technischen) Medium.
Vollständige Darstellung der Welt im Medium
Doch ein Aspekt platonischer Theorie war Stein des Anstoßes, sei es bei wissenschafttheoretischer, politischer oder (denk)ökonomischer Betrachtung: das ambivalente Aussteigertum, das sich im Verlassen, aber nachfolgendem besserwisserischen Zurückkommen in das Kino äußert.
Es wurde eine Verdopplung der Wirklichkeit, eine Störung des doch schönen Films und eine Verkomplizierung der Vorstellung von der Zuschauerschaft moniert, und nicht ganz zu Unrecht.
Die wahre Welt, und die Falsche
Wurde nicht Platon immer herangezogen, wenn es um Augestaltung der Welt in eine wahre und falsche ging? Wenn Zwei-Welten postuliert wurden, die eine Abbild der wirklichen Welt? Ist dies nicht eine Grundstruktur menschlichen Denkens, das sich konstant durch alle Religionen zieht und von der Philosophie in unterschiedlichsten Weisen problematisiert wurde?
Schein und Wirklichkeit
Was ist Schein und was ist Wirklichkeit? Was bloßes Phänomen und was Grund der Phänomene? An diesen Problemen, die sich auffächern in Subjekt-Objekt Spaltung, Leib-Seele Problem u.a., führt kein Weg zu einer Erkenntnis- und Welttheorie vorbei. Den Grundtstock dazu liefert immer eine Theorie der Wahrnehmung.
Eine Lösung dieses uralten Problems versuchte die Phänomenologie Edmund Husserls, die sich der Scheidung von Schein und Wirklichkeit in einer Urteilsenthaltung entzog, um so allen Phänomenen (Scheinhaften) zu ihrem Recht zu verhelfen.
Urteilsenthaltung und Phänomenologie
Der Husserlsche Vorschlag fand sofort große Aufmerksamkeit, doch seinen größten Schülern schien Husserl noch zu sehr alten Denkmustern verpflichtet. Martin Heidegger und Merleau-Ponty –um nur zwei zu nennen- versuchten in den von Husserl geöffneten Abgrund der Welt zu springen: ein Zwischenreich zwischen Schein und Realität. Sie fanden neue Strukturen, wie Wirklichkeit konstruiert sei:
- Heidegger fand das Dasein
- Merleau-Ponty fand den Leib
Doch so hoffnungsvoll die Unternehmen eines jeden begannen, so schwierig erscheint ein Verlassen alter Denkmuster.
Dualismus oder Phänomenologie
Merleau-Ponty scheint immer wieder in einen Dualismus eines dinghaften Leibes zurückzufallen, der gewiß die Welt erschließt, jedoch nicht radikal auf das eingeht, was mit der ursprünglichen Urteilsenthaltung gemeint war: allen Phänomenen zu ihrem Recht zu verhelfen.
Mit anderen Worten bedeutet das, jede Wirklichkeit in ihrem Scheincharakter festzuhalten. An der Front zwischen Sein und Schein spielen sich die größten Gedankenschlachten der Philosophiegeschichte ab, ohne sicheren Ausgang.
All dies fixiert sich in einer einfachen Frage: Wo sind wir, wenn wir denken?
Wo sind wir, wenn wir denken?
Fragen wir mit Merleau-Pontys Phänomenologie der Wahrnehmung:
- wo ist der Platz des Leibes in, und was ist Wirklichkeit?
- Was zeigt sich und was nicht?
- Was ist sichtbar
- Was ist unsichtbar?
Besonders das Spätwerks Merleau-Pontys spiegelt die Bedeutung des Sehens und der Welterschließung im Ausgang der Strukturen des Leibes/Fleisches. „Das Auge und der Geist“ sowie „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ bilden Reflexionen aus, die für eine Erschließung heutiger Wirklichkeitsstrukturen bedeutsam sind.
Einer Kritik neuzeitlicher Perspektivität und Abbildtheorien, die sich in einer Wissenschaftskritik äußern, folgt eine Erschließung des Unsichtbaren, das unauflöslich mit dem Sichtbaren verwoben ist.
Bilder & Räume
Bilder (das Sichtbare)
Abbild
Perspektive
Wissenschaft
Malerei
Phänomen
Räume (das Unsichtbare)
Leib
Sprache
Kommunikation
(Intersubjektivität/Fleisch)
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